Offener Brief der beiden Bezirksbeiräte Lindenhof und Neckarau an den Umweltminister von Baden-Württemberg vom 11.07.2020
Sehr geehrter Herr Untersteller,
wir sind Bezirksbeirät*innen aus zwei Mannheimer Stadtteilen mit gemeinsam 45.000 Einwohnern, die als Anrainer von der geplanten Maßnahme Rheindammertüchtigung XXXIX betroffen sind.
Ihr Ministerium verantwortet das Dammertüchtigungsprogramm des Landes Baden-Württemberg und hat damit auch die Fachaufsicht über die Referate 53.1 und 53.2- Gewässer I. Ordnung, Hochwasserschutz und Gewässerökologie, Planung und Bau (Landesbetrieb Gewässer) und Referat 53.2- Gewässer I. Ordnung, Hochwasserschutz und Gewässerökologie, Betrieb und Unterhaltung, Integriertes Rheinprogramm (Landesbetrieb Gewässer) beim Regierungspräsidium Karlsruhe. Das Referat 53.2 ist federführend bei der Dammertüchtigung Rheinhochwasserdamm (RHWD) XXXIX in Mannheim.
Im Zuge der Maßnahmen zur genannten Dammertüchtigung in Mannheim plant das Referat 53.2 des RP Karlsruhe den Hochwasserschutz im Wesentlichen mittels eines neuen Erdbaudammes aufrechtzuerhalten. Lediglich dort, wo die Bebauung keinen reinen Erddamm zulässt, wird mit einer nicht selbsttragenden Spundwand ergänzt. Diese Maßnahmen hätten zur Folge, dass 7 Hektar trockenheitsresistenter Wald in einem Landschaftsschutz- und Flora-Fauna-Habitat Gebiet, das in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung liegt, gefällt würden. Der Grund für diese großflächige Waldrodung liegt in den Regeln für die Erdbauweise und in der Notwendigkeit eines Dammverteidigungsweges, die die Erddammbauweise mit sich bringt.
Eine von der „Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof“ (BIG Lindenhof) beauftragte Machbarkeitsstudie kommt jedoch zu dem Schluss, dass es andere Technologien des effektiven und sicheren Hochwasserschutzes gibt. Die Machbarkeitsstudie schlägt eine durchgängige selbsttragende Spundwand vor, mit der eine Dammverteidigung und die damit einhergehende Waldrodung in einem derartigen Ausmaß, nicht erforderlich wäre, da der sanierte Bestandsdamm genutzt würde. Zudem, so die Studie, ist eine selbsttragende Spundwand überströmungssicher und in dieser Hinsicht sicherer als ein reiner Erdbaudamm. Ein Betriebsweg auf der Dammkrone kann im Extrem-Hochwasserfall zur Erhöhung des Dammes durch Sandsäcke genutzt werden und erfüllt damit die Funktion einen „Dammverteidigungsweges“.
Die Machbarkeitsstudie ist dem zuständigen Referat 53.2 selbstverständlich zur Verfügung gestellt worden. Sie wurde jedoch weder substanziell berücksichtigt noch wurde ernsthaft eine Prüfung der vorgeschlagenen Lösung in Erwägung gezogen. Im Gegenteil – und dies ist auch der Anlass, weshalb wir uns an Sie wenden – haben wir im Laufe der Diskussionen mit dem zuständigen Referat den Eindruck gewonnen, dass eine einmal gefällte Entscheidung trotz rationaler Fachargumente nicht mehr in Frage gestellt werden soll.
Die Sicherheit der Menschen in den betroffenen Stadtteilen hat selbstverständlich Priorität! Alle Unterzeichnenden sind Bezirksbeirät*innen und somit den Menschen in den betroffenen Stadtteilen verpflichtet. Dennoch sind wir der Ansicht: Maximaler Hochwasserschutz ist möglich bei minimalem Eingriff in die Natur! Unser Waldpark ist nicht nur ein Naherholungsgebiet, sondern gerade in einer hochverdichteten Industriestadt wie Mannheim von unschätzbarem Wert für die klimatischen Verhältnisse in der Stadt.
• Wir unterstützen mit diesem Brief parteiübergreifend die lokale „Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof“ (BIG) in ihren Bemühungen zum größtmöglichen Erhalt des Waldparks im Zuge der Dammsanierungs-maßnahmen.
• Wir bitten Sie, objektiv und unvoreingenommen die möglichen Varianten der Dammsanierung prüfen zu lassen und bei gleichwertigem Sicherheitslevel die Variante mit dem geringsten Eingriff in den Waldpark anzuweisen.
• Wir bitten Sie darüber hinaus, die Vorgaben für die untergeordneten Behörden bezüglich des Hochwasserschutzes dergestalt zu ergänzen, dass der Erhalt der Natur und der Schutz des Waldes in Hinblick auf dessen Bedeutung für die Naherholung, Artenschutz, Klimaschutz und damit für die Gesundheit der Mannheimer Bürger*innen bei der Entscheidungsmatrix zur Auswahl der konkreten Maßnahmen einfließt bzw. angemessener gewichtet wird als bisher.
Gerne würden einige von uns gemeinsam mit Vertretern der o.g. Bürgerinitiative Ihnen die Problematik in einem persönlichen Gespräch in Stuttgart erläutern.
Mit freundlichen Grüßen
Benedikt Berrang CDU, Marcus Butz SPD, Wolf Engelen FDP, Dr. Ina Grißtede SPD, Florian von Gropper ML, Dr. Christoph Gutknecht CDU, David Hergesell FDP, Ulrich Holl SPD, Peter Karbstein Grüne, Ursula Klein CDU, Harald Knecht Grüne, Michel Kost ML, Dr. Klaus-Dieter Lampert Linke, Patrik Liebscher Grüne,
Brigitte Müller-Steim CDU, Prof. Dr. Stefan Norra Grüne, Christine Pospesch Linke, Alexander Quick CDU, Dr. Kerstin Ullrich Grüne, Matthias Winkler Grüne
Anmerkung: Eine Kopie dieses Briefes geht an die Unterzeichner und an die Stadt Mannheim