Eignet sich die Geothermie für eine sichere zukünftige Versorgung Mannheims mit Fernwärme oder ist die neue Technologie zu risikobehaftet?  Diese Frage treibt viele Bürgerinnen und Bürger nun schon seit einiger Zeit um.

Um sich einer Antwort zu nähern hatte die Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof (BIG) zu einer Podiumsdiskussion mit kompetenten Gesprächspartnern am 23. Oktober 2024 in die Lanzkapelle Lindenhof eingeladen. Auf dem Podium vertreten waren Dr. Andre Baumann (Staatsekretär im Umweltministerium des Landes Baden-Württemberg), der Bundestagsabgeordnete Konrad Stockmeier (Fachpolitiker der FDP), Dr. Jürgen Hammer (Fachbereich Klima, Natur, Umwelt der Stadt Mannheim) und Stefan Ertle, Geschäftsführer der GeoHardt GmbH. Moderiert wurde die Diskussion von den BIG-Vorständen Ulrich Holl und Uwe Buckenauer.

Ergebnisse der Bodenuntersuchungen liegen vor

In der gut besuchten Lanz-Kapelle ging es zunächst um den Stand der Bodenuntersuchungen. Laut Stefan Ertle wurde mittlerweile ein sehr gutes 3D-Bild des in Frage kommenden Gebietes erstellt und auf dieser Basis mögliche geeignete Standorte für Bohrungen identifiziert. Das untersuchte Gebiet reicht von der SAP-Arena bis Oftersheim, insgesamt kamen 70 km² in Betracht. Dabei wurden Wasserschutzgebiete ausgeschlossen. Die ausgewählten Standorte werden nach Abschluss der Untersuchungen bekannt gegeben. Allerdings sind dann noch bis zu 30 Genehmigungen erforderlich. Ziel sei es, im Jahr 2028 die erste Anlage in fertig zu stellen und dann Schritt für Schritt weitere Anlagen in Betrieb zu nehmen. Dabei habe Sicherheit immer Vorrang vor Schnelligkeit.

Naturschutzrecht greift in allen Phasen

Konrad Stockmeier, der per Video aus Berlin zugeschaltet war, trat Befürchtungen entgegen, dass das überregionale öffentliche Interesse zu Einbußen bei der Sicherheit führen werde. Als Mitglied im Ausschuss für Klimaschutz und Energie des Deutschen Bundestages hat er am Entwurf zum Geothermie-Gesetz im Rahmen des Planungs- und Genehmigungsbeschleunigungsgesetzes mitgearbeitet. Weder bei der Planung noch bei der Genehmigung werde es durch die Verkürzung der Instanzenwege qualitative Abstriche geben. Das Naturschutzrecht finde in allen Phasen der Exploration und des Betriebs volle Anwendung und im Falle von Klagen seien Oberverwaltungsgerichte zuständig, die mit hochkarätigen, spezialisierten Richtern besetzt sind.

Stadt Mannheim ist Begleiter hin zur Wärmewende in Mannheim

Dr. Andre Baumann betonte die Bedeutung preiswerter und sicherer Wärmeversorgung und erläuterte die „Roadmap“ der Landesregierung zur Tiefengeothermie. Ziel sei es, Rahmenbedingungen zu schaffen, die diese Technologie zum „neuen Normal“ in der Wärmewende werden lassen. Darüber hinaus plane die Landesregierung verstärkt in die Öffentlichkeitsarbeit zu gehen, um zu zeigen, was das Land aus den Erfahrungen in anderen Anlagen gelernt habe und wie sich das in den Vorgaben bei Bohrung und Betrieb von Anlagen widerspiegele. Das sei auch für die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern wichtig.

Laut Dr. Jürgen Hammer hat die Stadt Mannheim in diesem Prozess eine begleitende Rolle. Sie bringe vor Ort ihre Expertise ein, insbesondere zu den Themen Bodenschutz, Grundstücke, Baurecht und Netzinfrastruktur und arbeite eng mit dem Regierungspräsidium Freiburg zusammen.

Welche Versicherung greift im Schadensfall

Im Mittelpunkt der folgenden, sehr intensiven und sachorientierten Diskussion stand die Risikoabsicherung:
Laut Staatssekretär Baumann tritt im Schadensfall zu erst die Haftpflichtversicherung der Betreiber mit 20 Mio Euro pro Bohrstelle/Anlage mit bis zu 2 Schadensfällen im Jahr ein. Anschließend greift die Bergschadensausfallkasse mit 17,5 Mio Euro. Sollte das nicht ausreichen, haften die Unternehmen. So verlange es die Landesregierung.

Der Betrag von 20 Mio Euro Haftpflichtversicherung basiert auf einem Gutachten von Professor Brand, Universität Mannheim, das die Landesregierung in Auftrag geben hatte. Darüber hinaus hat die Landesregierung Rücksprache mit Rückversicherern gehalten. Eine Zusätzliche Absicherung wird es weder von Bund noch vom Land geben.

Das Gutachten der Uni Mannheim wird nach Fertigstellung veröffentlicht und ist dann für jedermann einsehbar. Über die Haftung hinaus wird es eine Ombudsstelle für mögliche Schadensfälle geben, um unabhängig und schnell reagieren zu können.
Stefan Ertle betonte noch einmal, dass die Geothermie Anlage in Bruchsal keine kleine Anlage sei. Die Temperaturen sind nicht sehr hoch, da die Anlage mit 2500 Metern relativ oberflächennah ist. Es ist geplant diese Anlage von jetzt 28l/sec auf 50 bis 70l/sec zu erhöhen. In dieser Anlage gab es bisher keinen Störfall und die gewonnenen Erfahrungen können für weitere Bohrungen und den Betrieb der Anlagen genutzt werden. Er betonte mehrfach, dass sein Unternehmen in der Region verankert bleiben wolle und man sich daher keine unnötigen Risiken leisten könne.

In Mannheim wird mit wenig Druck gearbeitet

Für Dr. Hammer nimmt das Schadens-Thema viel zu großen Raum ein, da das Risiko in Mannheim extrem gering sei. Es kann mit geringem Druck gearbeitet werden, da es sich um hydrothermale Tiefengeothermie handelt und nicht um ein petrothermales Verfahren, das einen hohen Druck von 80 bis 100 Bar benötigt. Es wird eine Live-Überwachung geben mit vielen Sensoren, auch in der Tiefe am Ende der Bohrung. Ein „Ampel-System“ ist während der Bohrungen und des Betriebs permanent aktiv und das RP Freiburg ist direkt eingebunden.

Andre Baumann ergänzte, dass die Landesregierung aus Sicherheitsgründen Wert darauf legt, für die Arbeiten keine „Glücksritter“ zu beauftragen. In Frage kommende Unternehmen werden im Vorfeld sorgfältig geprüft und im Genehmigungsverfahren offengelegt. Außerdem werden die Seismischen Daten öffentlicheinsehbar sein, um Transparenz sicherzustellen.

Lithium Gewinnung geplant

Der Betrieb der Geothermie-Anlagen wird auch die Gewinnung von Lithium ermöglichen. Konrad Stockmeier erinnerte daran, dass die EU das Ziel hat, in der Rohstoff-Gewinnung unabhängiger zu werden.
Auch Staatsekretär Baumann betonte die Bedeutung von Lithium zum Beispiel für die Elektro-Mobilität und für Smart Phones. Es gehe auch darum, die Abhängigkeit von China zu verringern. Es werde allerdings keine Subventionen geben, weder vom Bund noch vom Land, da es ein kommerzielles Interesse gebe.

Nach Aussagen von Dr. Hammer ist die Lithiumgewinnung aus dem hydrothermalen Tiefenwasser sehr umweltfreundlich. Es sei keine Umweltbelastung zu erwarten, anders als in anderen Teilen der Welt, wo Lithium im Tage-Bergbau gewonnen wird (z.B. in Chile und Australien). Die Lithiumgewinnung sei auch sicher, da es im geschlossenen System gewonnen wird.
Laut Stefan Ertle hat die Firma GeoHardt das Bergrecht auf die Gewinnung von Lithium und will hier auch einsteigen. Allerdings sei die Dekarbonisierung des GKM das Hauptanliegen des Unternehmens.

Auf die Frage aus dem Publikum nach den Kosten der Geothermie im Vergleich zur heutigen Situation werden von den Teilnehmern des Podiums keine konkreten Zahlen genannt. Allerdings sei diese Technologie sehr effizient, da kaum zusätzliche Energie benötigt wird und damit deutlich günstiger ist als zum Beispiel Flusswärmepumpen.
Mit diesen Erläuterungen endete in der Lanz-Kapelle ein sehr informationsreicher Abend. Es wird sicherlich nicht der letzte zu diesem Thema gewesen sein.

Veröffentlicht am 7. November 2024

Ihr Ansprechpartner:

Uwe Buckenauer

Uwe Buckenauer

Funktion: Mitglied des Vorstands Themen: Geothermie, Rheindammsanierung, Tiny Forest,

Kontakt: uwe.buckenauer@big-lindenhof.de